Das gleichschenkelige Kreuz mit seinen dunkelroten, kubisch ausgeformten Endstücken gliedert ein grundlegendes Quadrat in vier kleinere quadratische Acrylglasblöcke mit verschiedenen eingeschnittenen Schriftzeichen.
In vier Sprachen kommt das kurze christliche Bekenntnis zum Ausdruck:
Hebräisch heißt es
(Jesus aus Nazareth Messias),
in Griechisch:
(Jesus Christus Herr),
in Latein:
JESUS NAZARENUS REX
(Jesus aus Nazareth König),
und in Deutsch:
JESUS CHRISTUS HERR.
Die Inschriften erinnern an das INRI über dem Kreuz Jesu (Jesus Nazarenus Rex Judaeorum = Jesus aus Nazareth König der Juden), das Pilatus in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache anbringen ließ.
Die Anordnung ist nicht zufällig, sondern theologisch durchdacht: Griechisch und Hebräisch nebeneinander in der oberen Hälfte bilden den zeitgeschichtlichen Bezug als Sprachen, die zur Zeit Jesu gebräuchlich waren. Latein und Deutsch darunter weisen auf die weitere Ausbreitung des Christentums.
In der Vertikalen befinden sich links die Sprachen der klassischen Antike (Griechisch, Latein) und rechts gegenüber das hebräisch-deutsche Paar mit seiner ganz eigenen Beziehung und Geschichte.
Diagonal verbunden korrespondieren jeweils das lateinische und das hebräische Bekenntnis mit dem historischen Bezug auf den Nazarener und das griechische und deutsche mit der Betonung auf Christus bzw. den Messias des Glaubens als fortgeschrittenes Interpretament.
In bemerkenswerter Weise wird mit diesem Kreuz ein positiver theologischer Bezug zu jüdischer Tradition und Glauben hergestellt, der so und zu dieser Zeit ganz und gar nicht selbstverständlich war. Erst 1980 bestimmt die Ev. Kirche im Rheinland als erste aller christlichen Kirchen ihr Verhältnis zu Israel und dem Judentum grundlegend neu, bekennt ihre Verbundenheit mit Israel als dem Volk des ersten und bleibend gültigen Bundes Gottes.
Damit repräsentiert dieses Kreuz m.E. einen theologischen Mut und Weitblick, die in dieser Zeit recht singulär erscheinen, die noch geprägt ist von der Sprachlosigkeit gegenüber der eigenen antijudaistischen Tradition und dem Versagen der Kirche im Blick auf den Holocaust. Vielleicht war die Tiefe dieses Gedankens auch manchem Zeitgenossen nicht bewusst.
Die Idee, die Ursprache der Bibel (der Juden) und die Sprache Jesu mit unserer heutigen zu verbinden „stammt von meinem Vater“, so schreibt F.K. Schwebel, „der es als verhängnisvoll empfand, dass die dritte Sprache vom Kreuz, nicht auch neben den ‚klassischen Sprachen‘ für uns kulturprägend geworden ist.“
Gleichzeitig symbolisieren die verschiedenen Sprachen den ökumenischen Zusammenhang der jüdischen Synagoge, der orthodoxen, der römischkatholischen Kirche mit der Kirche der Reformation (Bibelübersetzung!).
Kreuz und Architektur
Die formale Gestaltung des Kreuzes erklärt sich ganz streng aus der klassizistischen Architektur der Kirche, die von einem Schüler Schinkels, Adolph von Vagedes, 1815-16 entworfen wurde.
Anhand des Grundrisses der Grundmauern der Kirche erkennt man – denkt man sich die innere Säulenreihe weg – das Quadrat oder räumlich gesehen einen Kubus als prägendes Strukturprinzip. Es schließt formal an die quadratische Grundform des viel älteren Turms an. Zieht man eine gedachte Linie vom Haupteingang zum Abendmahlstisch in der halbrunden Apsis einerseits und vom Nebeneingang an der Nordseite zu dem an der Südseite andererseits, so ergibt sich ein gleichschenkeliges Kreuz, das den quadratischen Innenraum in vier gleichgroße kleinere Quadrate unterteilt. Eben dies ist identisch mit der Grundform des Kreuzes.
Bei der grundlegenden Restaurierung der Kirche von 1965-68 wurden alle dem jeweiligen Zeitgeist entsprungenen Einbauten und Gestaltungsvarianten, wie z.B. der eichene Kanzelaltar, die Buntfenster, die Holzkassettendecke usw., die die Klarheit der räumlichen Gliederung verdeckten und zudem die Kirche verdunkelten, entfernt. Die klassische Formensprache, die den Entwurf von Vagedes´ kennzeichnet, sollte nicht nur historisierend rekonstruiert, sondern mit den technischen Formen der Moderne weiterentwickelt werden, um „durch Klarlegung ihres hellen, festlich- heiteren Charakters als einer der geglücktesten klassizistischen Räume unseres Landes erkennbar“ zu werden. So beschrieb Dr. Schwebel die Motive des federführenden Arbeitskreises anlässlich der Fertigstellung der Kirche.
Diesem Anspruch wird ganz augenfällig auch die einzigartige Beleuchtungsinstallation des Lichtdesigners Johannes Dinnebier als einer „leuchtenden Kassettendecke“ gerecht, mit der ein „Lichtteppich in der Höhe“ geschaffen wurde, der den festlich-hellen Charakter betont.
Auch in Details z.B. der Geländer, der Fensterverstrebungen und der Gestaltung der Bestuhlung findet sich die quadratische Grundform wieder.
Mit der Einbringung des Hängekreuzes Anfang 1969 fand die „restaurierende Neugestaltung“ der Kirche ihren abschließenden Höhepunkt.